Klosterhof im Maxhaus

Carola Rackete

Carola Rackete (geb. 1988) ist Kapitänin, politische Aktivistin und Umweltschützerin.

Innerhalb von wenigen Tagen wurde die junge Frau weltberühmt. Als Kapitänin des Flüchtlingsrettungsschiffs Sea-Watch 3 rettete sie im Juni 2019 zusammen mit ihrer Crew 53 Geflüchtete aus dem Mittelmeer. Sie suchte einen sicheren Hafen, wo entsprechend dem UN-Seerechtsübereinkommen die Geretteten in Sicherheit gebracht werden sollten. Am 12. Juni verweigerten die italienischen Behörden das Einlaufen in den Hafen von Lampedusa. Sea-Watch versuchte eine Lösung zu finden.

Über die Anstrengung und zunehmende Frustration beim Versuch, politisch und juristisch einen Transfer für die Menschen zu ermöglichen, erzählte Carola Rackete in Deutschlandfunk Kultur: "Was viele … nicht wissen, ist, dass [schon] am zweiten Tag … die Stadt Rottenburg angeboten [hatte], alle 53 Geretteten zu übernehmen. Sie würden sogar einen Bus nach Sizilien schicken und die abholen. Und eigentlich war die ganze Zeit eine Lösung da! Allein das deutsche und das italienische Innenministerium wollte den Transfer an Land nicht erlauben. Das war extrem frustrierend.“

Die Situation an Bord wurde immer brenzliger. Besonders die psychologische Lage der Menschen, die sich eingesperrt fühlten und nicht wussten, was sie erwartete, bereitete der Crew große Sorgen. Fast alle haben Menschenrechtsverletzungen erfahren: „… krasse Geschichten, die die Leute erzählen aus Libyen. Leute werden gekidnappt, Menschen werden gefoltert. Man sieht das auch an den schlecht verheilten Wunden teilweise. Wir hatten während der gesamten 17 Tage zwei medizinische Evakuierungen, wo Menschen dann innerhalb weniger Stunden sofort von Bord mussten, weil wir in unserem kleinen Hospital deren Gesundheit dann auch nicht garantieren konnten.“

Schließlich kam das Team gemeinsam zu dem Schluss, dass es für die Gesundheit und für die Sicherheit der Personen nicht mehr garantieren könne. Am 29. Juni lief die Sea-Watch 3 nach wochenlangem Warten trotz Hafensperrung und gegen amtliche Anweisung in Lampedusa ein. Dabei streifte sie ein Schnellboot der Guardia di Finanza, die Sea-Watch 3  am Anlegen zu hindern versuchte. Carola Rackete wurde  festgenommen und unter Hausarrest gestellt, dann nach drei Tagen freigelassen. Anklage wurde erhoben. Im Mai 2021 wurde das Verfahren gegen sie eingestellt. Das Gericht im sizilianischen Agrigent hat „die Notwendigkeit, das Leben zu retten“, anerkannt.

Carola Rackete spaltete von Anfang an die Öffentlichkeit. Beim Verlassen des Schiffes applaudierten einige, andere beschimpften sie. Sie wurde gefeiert als Heldin der Mitmenschlichkeit, als Ikone der Zivilcourage und des zivilen Ungehorsams. Gleichzeitig bekam sie auch Morddrohungen. Auch wenn sie Rummel um ihre Person nicht mag, nutzte sie ihre Bekanntheit und schrieb ein Buch über das Thema Flüchtlinge und Klimakrise. Es trägt den Titel „Handeln statt hoffen. Aufruf an die letzte Generation“.

Die Kapitänin Carola Rackete verkörpert eine neue Idee des Heldenhaften. So meint der Philosoph A. Pollmann, die Helden von heute seien vornehmlich Heldinnen: "Sie zeichnen sich weniger durch Körperkraft als durch moralische Überzeugungskraft aus. Und sie sind gar nicht daran interessiert, als Heldinnen verehrt zu werden. Weiblichkeit, moralische Integrität, fehlender Narzissmus – ganz die Gegenthese zum antiken Helden im Mythos."